Die Rallye-Weltmeisterschaft kehrt in dieser Woche zurück nach Deutschland: Nach dem überzeugenden Sieg bei der WM-Rallye Chile im vergangenen Monat stellt sich das werksunterstützte Team M-Sport Ford bei der neu geschaffenen Rallye Zentraleuropa (Central European Rally) einer ganz anderen Herausforderung. Der vorletzte Lauf der diesjährigen Rallye-Weltmeisterschaft nimmt nach einigen Schotterveranstaltungen in Folge wieder asphaltierte Wertungsprüfungen in Angriff, die zudem für die Elite des Rallye-Sports komplettes Neuland darstellen. Dies gilt auch für das Format des Events. Der Start findet am Donnerstag auf dem berühmten Wenzelsplatz von Prag statt, auch die beiden ersten Zuschauerprüfungen und die gesamte Freitagsetappe gehen in Tschechien über die Bühne. Der Samstag und Sonntag hingegen nutzt österreichische und deutsche Strecken mit dem zentralen Service-Park im bayerischen Passau. Drei Länder, ein WM-Lauf: Das gab es tatsächlich noch nie auf höchster Ebene.
M-Sport Ford schickt wieder drei der über 368 kW (500 PS) starken Puma Hybrid Rally1 ins Rennen. Als Speerspitze treten erneut Ott Tänak und Beifahrer Martin Järveoja an. Die beiden Esten haben in Chile ihren zweiten Saisonsieg für Ford nach der Winter-Rallye in Schweden eingefahren. Auch mit deutschem Terrain kennt sich der Weltmeister von 2019 bestens aus: Den hiesigen WM-Lauf konnte er bereits 2017 mit dem Ford Fiesta RS WRC erstmals gewinnen. Auch in den beiden Folgejahren war Tänak rund um Trier das Maß der Dinge. Im zweiten Puma – ebenfalls angetrieben von einem 1,6 Liter großen und über 279 kW (380 PS) starken EcoBoost-Vierzylinder-Turbo sowie einem Hybridsystem, das temporär bis zu 100 kW (136 PS) beisteuert – nimmt Nachwuchsstar Pierre-Louis Loubet Platz. Der Korse hat sich nach dem heftigen Abflug in Chile von seinem bisherigen Copiloten getrennt und vertraut bei der Rallye Zentraleuropa erstmals auf den erfahrenen Benjamin Veillas aus Frankreich. Für Loubet ist es der letzte WM-Lauf des Jahres: Beim Finale in Japan setzt der 26-Jährige aus. Den dritten Rally1-Boliden von M-Sport steuert Grégoire Munster zusammen mit Beifahrer Louis Louka. Das belgische Duo saß bereits bei der Rallye Chile im Puma Hybrid Rally1 und hat sich bei seinem Debüt in der Topklasse tapfer geschlagen.
Auch in der WRC2-Klasse hat M-Sport ein heißes Eisen im Feuer: Adrien Fourmaux/Alexandre Coria wollen nach ihrem Titelgewinn in der britischen Rallye-Meisterschaft – fünf Starts mit dem Ford Fiesta Rally2, fünf Gesamtsiege – auch im deutsch-tschechisch-österreichischen Dreiländereck um eine Topplatzierung kämpfen. Zur Vorbereitung auf die bevorstehende Aufgabe haben Tänak und Fourmaux am vergangenen Wochenende die österreichische Herbst-Rallye bestritten. Mit Erfolg: Gesamtsieg für den Esten, während der Franzose auf Rang zwei und Gewinner der RC2-Klasse ins Ziel kam.
Die Rallye Zentraleuropa bietet von Donnerstag bis Sonntagmittag 18 Wertungsprüfungen (WP) über eine Distanz von 313 Kilometern auf. Speziell der Freitag hält dabei eine markante Besonderheit parat: Er kommt ohne mittäglichen Besuch im Service Park aus. Nach drei der sechs WP wartet lediglich eine Reifenwechelzone auf die Teilnehmer – tiefgreifende Reparaturen sind dort nicht möglich.
Für die begeisterten Rallye-Fans aus Tschechien ist es übrigens das erste Mal, dass der WM-Zirkus in ihrem Land auftritt, und für die Zuschauer in Österreich erst der zweite WM-Lauf nach der legendären „Alpenfahrt“ im Jahr 1973. Die Rallye Deutschland zählte von 2002 bis 2019 fast durchgehend zum WM-Kalender. Sie fand jedoch in den Mosel-Weinbergen, auf dem Truppenübungsplatz Baumholder und im nördlichen Saarland statt.
„Sich auf die Premiere eines neuen WM-Laufs vorzubereiten, ist immer eine spannende Aufgabe“, betont M-Sport-Teamchef Richard Millener. „Teams und Veranstalter stehen dabei vor großen Herausforderungen. Ich halte neue WM-Rallyes für wichtig, denn wir wollen unseren Sport weiterentwickeln und neue Fans gewinnen. Ich freue mich auf neue Wertungsprüfungen und bin gespannt, wer am Ende auf dem obersten Treppchen steht. Der Sieg in Chile hat das ganze Team beflügelt – jetzt setzen wir alles daran, bis zum Saisonende weitere Spitzenresultate zu erzielen. Ott Tänak treibt uns nach wie vor großartig an und wir wissen, dass er in Zentraleuropa und Japan viel erreichen möchte. Der Puma hat in Chile wieder einmal gezeigt, was er leisten kann. Es würde dem ganzen Team viel bedeuten, die Saison mit einigen Highlights abzuschließen. Außerdem blicken wir gespannt darauf, was Grégoire Munster und Adrien Fourmaux zeigen werden. Grégoires Asphalterfahrung wird ihm zugutekomme, wenn er den Puma jetzt auf völlig anderem Untergrund fährt als zuletzt. Adrien hat uns in dieser Saison bislang mit guten Vorstellungen beeindruckt. In der WRC2-Kategorie geht es sehr eng zu, und er hat sich dort immer wieder gut behauptet.“
Ott Tänak / Martin Järveoja (Ford Puma Hybrid Rally1, Startnummer ; WM-Rang: 4
„Wir sind einige Zeit nicht mehr auf Asphalt gefahren, zudem steht jetzt eine ganz neue Veranstaltung bevor“, so Tänak. „Wir wollen bei den letzten beiden WM-Läufen dieser Saison das Maximum herausholen. Ich kann schwer einschätzen, was uns erwartet, die Rallye bedeutet für alle Neuland. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Wetter eine Rolle spielen wird – wir müssen uns auf alles einstellen. Nach dem letzten Schotterlauf des Jahres in Chile durften wir gemeinsam den großen Erfolg feiern, das fühlte sich richtig gut an. Aber wir haben noch mehr Jobs zu erledigen: Bei den beiden ausstehenden Rallyes greifen wir weiter an.“
Pierre-Louis Loubet / Benjamin Veillas (Ford Puma Hybrid Rally1, Startnummer 7); WM-Rang: 11
„Ich freue mich auf meine erste Rallye mit Benjamin Veillas“, betont Loubet. „Nach dem Unfall in Chile muss ich erstmal wieder Selbstvertrauen tanken und eine saubere Rallye fahren. Außerdem möchte ich die Strecken in Deutschland genießen. Als wir den Puma beim Test in dieser Woche endlich wieder auf Asphalt bewegt haben, fühlte sich das gut an. Deshalb schaue ich positiv darauf, was uns erwartet.“
Adrien Fourmaux / Alexandre Coria (Ford Fiesta Rally2, Startnummer 24); WM-Rang: 6 (WRC2)
„Dass diese Veranstaltung für alle neu ist und wir in puncto Erfahrung bei null starten, finde ich positiv“, führt Fourmaux aus. „Unseren Aufschrieb müssen wir während der gesamten Rallye überprüfen und verbessern. Es gefällt mir, dass wir einen neuen WM-Lauf auf Asphalt haben, der drei Länder miteinander verbindet. Die Strecken an den einzelnen Tagen scheinen sich stark zu unterscheiden. Nach so vielen Schotter-Rallyes freue ich mich, dass wir wieder auf geteerten Straßen fahren. Voriges Wochenende haben wir zur Vorbereitung eine Rallye in Österreich bestritten. Dabei konnten wir die Abstimmung verfeinern und haben viel gelernt, was uns am kommenden Wochenende helfen sollte.“
Grégoire Munster / Louis Louka (Ford Puma Hybrid Rally1, Startnummer 13)
„Unsere wichtigste Erkenntnis in Chile: Wann setzen wir die Hybridfunktionen des Puma Hybrid Rally1 am sinnvollsten ein“, erläutert Munster. „Wir haben auch viel von der Aerodynamik verstanden und darüber hinaus erfahren, wie sich die im Vergleich zu einem Rally2-Fahrzeug sehr frühe Startposition auf der Stecke anfühlt. Ich kann allerdings nicht garantieren, dass sich diese Erfahrung auf Asphalt übertragen lässt. Auf diesem Untergrund fühlt sich alles anders an, weil du viel mehr Traktion hast. Beim Test haben wir ein paar verschiedene Abstimmungen ausprobiert. Der Puma bietet bereits eine großartige Ausgangsbasis und gibt dir viel Vertrauen. Trotzdem hilft es, ein paar Ideen im Köcher zu haben. Wenn sich die Bedingungen verändern, wissen wir, welche Richtungen wir beim Setup einschlagen können.“